SLS unterstützt Forschung an hybriden Materialien

Im Hybrid Materials Laboratory an der University of Applied Sciences and Arts of Southern Switzerland (SUPSI) werden neue Verbundwerkstoffe entwickelt. Neben einer Vielzahl an Produktions- und Analysegeräten setzen die Tessiner Forscher auch ein Sintratec Kit ein.

Bei künftigen Space Shuttles wird vermehrt auch auf die Wiederverwendbarkeit von Komponenten geachtet. Professor Alberto Ortona, Leiter des Hybrid Materials Laboratory am Institute for Mechanical Engineering and Materials Technology (MEMTi) an der SUPSI, sagt: «Eine Weltraumfähre tritt von einem niedrigen Erdorbit mit einer Geschwindigkeit von rund 30’000 km/h in die Atmosphäre ein. Das Vehikel wird dann durch die Luft-Reibung abgebremst, wodurch sich deren Oberfläche extrem erhitzt.» Damit die Struktur beim Wiedereintritt nicht verbrennt, werden spezielle Hybridmaterialien eingesetzt – wie beispielsweise Strukturbauteile aus leistungsfähigen Keramikverbindungen, die über längere Zeit extremen Bedingungen, höchsten Temperaturen und Thermoschocks standhalten. Solche Komponenten müssen nicht mehr nach jeder Expedition ausgetauscht werden.

Professor Alberto Ortona, Leiter des Hybrid Materials Laboratory am Institute for Mechanical Engineering and Materials Technology (MEMTi) an der SUPSI: „Je weiter sich die additiven Technologien professionalisieren, umso mehr werden wir von deren Möglichkeiten profitieren.“

Gasgekühlte Sandwich-Strukturen

An solchen keramischen Hybridmaterialien für Extrembedingungen forscht das Team von Professor Ortona. Für das EU-Forschungsprojekts THOR entwickelte sein Institut zum Beispiel komplexe Sandwich-Strukturen aus gasgekühlten Keramik-Verbundwerkstoffen. Dadurch wird das thermische Verhalten von Strukturkomponenten künftiger Weltraumfähren mittels einem «Thermal Protection System» kontrolliert.

Der Forschungsfokus der weltweit renommierten Hochschule liegt beim Engineering spezieller Materialkombinationen, worunter auch Kombinationen mit Luft – also poröse Werkstoffe – verstanden werden. Dazu gehören moderne Strukturbauteile, durch welche Gase oder Flüssigkeiten geleitet werden und die in Wärmetauschern, Heizungsbrennern, Solaranlagen, Katalysatoren oder in Wasserfiltrationssystemen eingebaut werden.

Thermischer Schutzschild: Test eines exponierten Rumpfteiles in einem Plasmawindtunnel. (Bildquelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt)

SLS erlaubt komplexes Polymer-Design

Für thermisch belastbare Komponenten eignen sich insbesondere sogenannte Ceramic Matrix Composites (CMC). Solche sowohl stabilen als auch leichten Gyroid-Architekturen vertreten aufgrund ihrer exzellenten mechanischen Eigenschaften eine eigene Anwendungsklasse unter den leistungsfähigen Komponenten. Deren Herstellung ist oft nur mit additiven Fertigungsverfahren realisierbar.

Im Hybrid Materials Laboratory werden seit 15 Jahren 3D-Drucker genutzt. Das bis anhin am meisten eingesetzte Stereolithografie-Verfahren (SLA) kommt nun gerade bei komplexen Designs wie Gyroiden an seine Grenzen. Auch die Herstellung poröser Polymere ist damit nicht möglich. Um sich diesen Schwachpunkten zu entledigen, schaute man sich am MEMTi Institut nach anderen 3D-Druck-Verfahren um und kam auf das selektive Lasersintern (SLS).

Simone Vitullo, Forschungsassistent am MEMTi, an seinem Arbeitsplatz im Hybrid Materials Laboratory.

Porous structures made of Sintratec PA12

Für ein wegweisendes Projekt setzte Simone Vitullo, Forschungsassistent am MEMTi, das Sintratec Kit täglich ein. Während dreier Monate untersuchte er die mechanischen Eigenschaften und Porösitäten von 3D-gedruckten Gitterstrukturen mit dem Ziel, möglichst poröse Geometrien – ohne viel Festigkeitsverlust – zu erhalten. «Um die Geometrie, das Gewicht und die Dichte der Gyroide zu optimieren, veränderte ich systematisch die Sintertemperatur, die Lasergeschwindigkeit und die Schichtdicke», erklärt der Assistent. Dabei setzte er die Teile mechanischen Kompressions- und Torsionstests aus. Die resultierenden Zusammenhänge zwischen Druckparametern und den Charakteristika der 3D-gedruckten Teile dienen nun der weiterführenden Materialforschung am Institut.

Thermisch beanspruchte Gitterstrukturen müssen nicht nur stabil und leicht sein, sondern auch funktionale Eigenschaften aufweisen. Bis anhin verliefen die Abgasströme in Katalysatoren, ob im Auto oder in der Industrieanlage, plus-minus linear. Doch die Siebwirkung ist effizienter wenn Emissionsgase mit möglichst viel Substratoberfläche in Berührung gelangen. Die Lösung dafür sind innovative Geometrien, die den Abgasstrom verwirbeln.

Katalysator-Substrate, die den Abgasstrom verwirbeln: Die beiden gleich grossen, aber mit unterschiedlichen Parametern 3D-gedruckten Gitterstrukturteile weisen unterschiedliche mechanische Eigenschaften und Porösitäten auf.

Entwicklungsprozess zellularer Keramik für den Leichtbau (v.l.n.r.): Natürlicher Schaumwürfel mit heterogener «Zufalls-Struktur», das mit einer keramischen Paste beschichtete Schaum-Template, 3D-gedrucktes Sakral-Template mit exakt strukturierter Geometrie und das mit einer keramischen Paste beschichteten Sakral-Template. (zur Verfügung gestellte Modelle: EngiCer SA).

Sakrale Templates für Keramikstrukturen

Besonderes Augenmerk legt das MEMTi ausserdem auf das Engineering von keramischen Verbundwerkstoffen, die mittels Strukturvorlagen aus Sintratec PA12 realisiert werden. Professor Ortona fährt fort: «Solche Strukturvorlagen nennen wir sakrale Templates». Der Ausdruck erklärt den raffinierten Herstellungsprozess: Das via SLS 3D-gedruckte Polymer-Template wird mit einer keramischen Paste beschichtet, worauf das Polymer bei der darauf folgenden Wärmebehandlung verbrennt. Dabei entsteht eine hohle, ultra-leichte und hoch-stabile Keramik-Struktur. Diese werden nun durch die Schweizer Firma EngiCer SA industriell hergestellt.

Oscar Santoliquido, Forschungsassistent am MEMTI, ergänzt: «Dank der offenen Parameter des Sintratec Kit konnten wir die 3D-gedruckte Objekte mit den besten Eigenschaften definieren, die erforderlich sind, um die Keramikbeschichtung optimal auf das Template aufzubringen. Die SLS-Technologie erlaubt uns, komplexe Gitterstrukturen einfach und schnell herzustellen.“

Oscar Santoliquido, Forschungsassistent am Institute for Mechanical Engineering and Materials Technology (MEMTi): „Die SLS-Technologie erlaubt uns, komplexe Gitterstrukturen einfach und schnell herzustellen.“

Additive Fertigung als Impulsgeber

In Zukunft sollen die komplexen Keramikstrukturen direkt additiv gefertigt werden. «Je weiter sich die additiven Technologien professionalisieren, umso mehr werden wir von deren Möglichkeiten profitieren», resümiert Professor Ortona. Dass der 3D-Druck zu neuen Enginneering-Paradigmen verhelfe, ist im Bereich der keramischen Verbundwerkstoffe offensichtlich.

“Je weiter sich die additiven Technologien professionalisieren, umso mehr werden wir von deren Möglichkeiten profitieren.”

Professor Alberto Ortona
Leiter des Hybrid Materials Laboratory
Institute for Mechanical Engineering and Materials Technology (MEMTi) at SUPSI

www.supsi.ch/memti